BÜHNE:
Kein Blut im Schuh
Das Staatstheater Cottbus entdeckt die feminine Liebe zur Fußbekleidung
COTTBUS - Frauen parken schlecht ein. Männer hören nicht zu. Letztere lügen
immerzu, während die ersten ständig Schuhe kaufen. – Nun gut. Es mag ja sein,
dass an derlei schablonenhaften Aussagen etwas dran ist. Was, das ist
allerdings die Frage. Und die gehört hierher. Denn hier geht es um Frauen und
um Schuhe.
Die kommen jetzt nämlich auch auf der Bühne zusammen: In Cottbus, wo
Schauspielkapellmeister Hans Petith, der Pianist Frank Petzold und die
Schauspielerinnen Sigrun Fischer, Johanna Emil Fülle und Sissy Staudinger
einen Liederabend erarbeitet haben, in dem es um die beiden großen, femininen
Dauerthemen geht. Und um Männer. Um Prinzen, genauer gesagt. Doch davon
später.
Nina Hagens schriller End-70er-Rocksong „Unbeschreiblich weiblich“ gibt dem
Abend in der Kammerbühne des Staatstheaters den Titel. Doch trotz der
punkigen Anleihe kommt Hans-Holger Schmidts Schauplatz recht bieder daher.
Wir blicken in einen Schuhladen: weiße Regale, Paletten und Podeste, in und
auf denen jede Menge Schuhe und Kartons mit der Aufschrift „Schuh Bidu“ auf
Kundinnen warten.
Anfangs regnet es vor der Tür in Strömen – außerhalb der Oasen weiblicher
Glückseligkeit, soll das wohl heißen, herrscht nun mal ein raues Wetter – und
so kann Johanna Emil Fülle in das Reich von Ballerinas, High- heels, Pumps
und Pantoletten flüchten. Mit der Handtasche über den Kopf. Die Frisur muss
ja geschützt sein. Frauen und Haare – noch so ein Dauerthema. Doch das ist
eine andere Geschichte.
Diese hier handelt, wie gesagt, von Schuhen und vom Prinzen. Dem von
Aschenbrödel. Weil es ja um Fußbekleidung geht. Aus diesem Grund hören wir
auch ab und an einige Sätze aus dem Märchen. Und deshalb wird am Ende der
fröhlich-freche Aschenbrödel-Song des Musikkabarettisten-Duos Weber-Beckmann
gesungen. Eine ganz große Nummer.
An den Prinzen allerdings glaubt in Cottbus niemand mehr so recht. Dieser
wird denn auch, als er – als Pup- pe – aus dem Bühnenboden fällt, von den
Frauen prompt ganz schnell beerdigt. Standesgemäß in einem Schuhkarton. „Neue
Männer braucht das Land“ – schwups, schon fliegt der Gute von der Bühne. Ina
Deter, Wir sind Helden, Funny van Dannen, Chapeau Claque, Goergette Dee und
Terry Truck – so geht es mal heiter, mal ironisch durchs Programm.
Doch es gibt auch manchen alten Schlager und ganz hohes Liedgut. Ein Mix, der
da frisch über die Rampe schnurrt. „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ singt
Johanna Emil Fülle und verlegt sich findig auf die Rolle des naiven
Blondchens.
Im Duett mit Sigrun Fischer, die eine leicht angeschlagene Karrierefrau gibt,
streitet sie mit Mozarts „Ich bin die erste Sängerin“ um die Rangfolge und
mit Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“ um den zweiten Stiefel. Später
schnurrt Sissy Staudinger Robert Schumanns Heinrich-Heine-Lied „Ich grolle
nicht“, während Sigrun Fischer in „Bésame Mucho“ der Mexikanerin Consuelo
Velázquez schwelgt. Das sind wunderbare Nummern. Sigrun Fischer ist hier ganz
in ihrem Element und kann sich endlich wieder einmal gesanglich wie
spielerisch austoben. Dass auch ihr, wie dem Publikum, hin und wieder die
Luft wegbleibt, hat sie Sissy Staudinger zu danken. Diese Frau ist eine
Wucht. Wenn sie singt, halten nicht nur das Publikum, sondern auch ihre
Mitstreiterinnen den Atem an.
Selbst wenn dramaturgisch gewiss mehr möglich gewesen wäre, „Unbeschreiblich
Weiblich“ ist ein sehens- und hörenswerter Abend. Die Interpretation der
Musik, der Gesang und die so unterschiedlich wie wandlungsreichen Charaktere
der Darstellerinnen überzeugen.
Da vergisst man geradezu die Frage, was nun eigentlich an den Aussagen dran
ist, dass Männer nicht zuhören und Frauen ständig Schuhe kaufen.
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